Elternschaft und Umweltschutz: Verändert die Geburt eines Kindes die elterliche Haltung zum Naturschutz?

Interessieren sich Menschen mehr für Umwelt- und Naturschutz, sobald sie Eltern geworden sind? Der berühmten Legacy-Annahme sind nun zwei Forscherinnen auf den Grund gegangen – mit einem ernüchternden Ergebnis.

Mütter und Väter unterscheiden sich hinsichtlich der Themen, die für sie nach der Geburt eines Kindes wichtig werden.
Mütter und Väter unterscheiden sich hinsichtlich der Themen, die für sie nach der Geburt eines Kindes wichtig werden. Bild: Sasin Tipchai/Pixabay

Die Geburt eines Kindes gilt als einschneidender Moment im Leben: Die Haltung gegenüber gesellschaftlichen Fragen kann sich grundlegend verändern. Doch beeinflusst das Elternwerden auch das ökologische Bewusstsein?

Die Geburt eines Kindes wird oft als Turning Point verstanden, der Verhaltensmuster und Werte einer Person ändern kann. Ähnliche Turning Points sind der Berufseinstieg, Heirat und Partnerschaft oder die Anschaffung eines Eigenheims.

Dieser Frage sind nun zwei Forscherinnen in einer großangelegten Studie nachgegangen. Die in der Fachzeitschrift Population and Environment veröffentlichten Ergebnisse sind eher ernüchternd: Insgesamt hat die Geburt eines Kindes nur geringe Auswirkungen auf die elterliche Einstellung zu Umwelt- und Klimafragen.

„Unsere Studie zeigt, dass sich die verbreitete Annahme, Menschen würden sich durch die Geburt eines Kindes verstärkt um Umwelt und Klima sorgen, so pauschal nicht bestätigen lässt“, sagt Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg. Gemeinsam mit Prof. Dr. Nicole Kapelle vom Trinity College Dublin analysierte Zoch Umfragedaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP).

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Befragung in Deutschland, die seit 1984 jährlich in den gleichen Haushalten durchgeführt wird. Inzwischen werden circa 20.000 Haushalte befragt.

Berücksichtigt wurden Antworten von über 12.000 Personen zu Umweltschutzthemen sowie über 7000 Personen zu klimabezogenen Sorgen. Dabei wurden Zeiträume von bis zu zwei Jahren vor der Geburt eines Kindes bis zu zehn Jahre danach betrachtet. Die Auswertung umfasste mehr als 100.000 Einzelinterviews, wodurch sich langfristige Trends bei elterlichen Einstellungen feststellen ließen.

Unterschied Männer und Frauen

Besonders aufschlussreich ist die Unterscheidung nach Geschlecht: Während bei Vätern rund um die Geburt eines Kindes die Sorgen um Umweltprobleme leicht sinken, nehmen bei Müttern diese Sorgen tendenziell etwas zu. Beim Thema Klimawandel zeigt sich jedoch ein umgekehrtes Bild: Hier äußern Väter nach der Geburt deutlich mehr Besorgnis, während die Sorgen der Mütter sogar abnehmen.

„Dass Väter durchschnittlich mehr Sorgen um den Klimawandel berichten als Mütter, kann damit zusammenhängen, dass dieser auch mit ökonomischen Problemen, Verteilungskonflikten und politischen Krisen verbunden ist – Themengebiete, mit denen sich Männer durchschnittlich nach wie vor mehr beschäftigen als Frauen.“

– Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg

Im Gegensatz dazu betreffen Umweltprobleme wie verschmutzte Gewässer oder Müllprobleme das direkte Lebensumfeld stärker. Für diese Sphäre seien nach wie vor überwiegend die Mütter verantwortlich, so Zoch. Der Alltag mit einem Neugeborenen könne außerdem dazu führen, dass abstraktere Zukunftssorgen wie etwa der Klimawandel in den Hintergrund treten.

Kaum Unterschiede beim Bildungsgrad

Beim Bildungsgrad der Befragten zeigten sich überraschenderweise nur geringe Unterschiede: Nach der Geburt eines Kindes unterschieden sich Menschen mit und ohne Hochschulabschluss kaum in ihrer grundsätzlichen Haltung zu Umwelt- und Klimafragen. Allerdings fällt auf, dass akademisch gebildete Eltern von Grundschulkindern nach einer Geburt mehr Sorgen um Umwelt und Klima äußern als vor der Geburt.

Nach der Geburt eines Kindes sorgen sich Väter eher um den Klimawandel und Mütter eher um Umweltprobleme, so die Studie.
Nach der Geburt eines Kindes sorgen sich Väter eher um den Klimawandel und Mütter eher um Umweltprobleme, so die Studie. Bild: Van Loc Cap/Pixabay

Zoch und Kapelle geben zu, dass ihre Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Zwar sei die sogenannte Legacy Hypothesis weit verbreitet – die Annahme, dass Eltern aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder ein stärkeres Umweltbewusstsein entwickeln. Doch die Studie zeige, dass diese Vorstellung nicht pauschal zutreffe.

Tatsächlich zeigen unsere Ergebnisse jedoch, dass Eltern rund um die Geburt tendenziell von etwas weniger Sorgen um Umwelt und Klima berichten – weil der Alltag mit einem Neugeborenen andere, unmittelbare Prioritäten mit sich bringt, die Umwelt- und Klimaschutz für viele Menschen etwas in den Hintergrund rücken.

Erst mit zunehmendem Alter des Kindes, insbesondere ab dem Schulalter, kehre das frühere Maß an Besorgnis teilweise zurück, so die Forscherinnen.

Gleichzeitig können verwendeten Daten keine abschließende Erklärung für die unterschiedlichen Entwicklungen bei Müttern und Vätern liefern.

„Unsere Befunde unterstreichen, wie differenziert die elterliche Wahrnehmung von Umwelt- und Klimafragen sein kann und warum wir künftig bessere Daten zu diesen Forschungsfragen benötigen.“

– Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg

Die Studie liefert wichtigen Input für die sozialwissenschaftliche Klimaforschung – und sie zeigt, das elterliche Einstellungen differenzierter zu betrachten sind als bisher angenommen.

Quellenhinweis:

Kapelle, N. & Zoch, G. (2025): From parenthood to planet care? The evolution of environmental and climate concerns during family formation. Population and Environment, 47, 23.