Elternschaft und Umweltschutz: Verändert die Geburt eines Kindes die elterliche Haltung zum Naturschutz?
Interessieren sich Menschen mehr für Umwelt- und Naturschutz, sobald sie Eltern geworden sind? Der berühmten Legacy-Annahme sind nun zwei Forscherinnen auf den Grund gegangen – mit einem ernüchternden Ergebnis.

Die Geburt eines Kindes gilt als einschneidender Moment im Leben: Die Haltung gegenüber gesellschaftlichen Fragen kann sich grundlegend verändern. Doch beeinflusst das Elternwerden auch das ökologische Bewusstsein?
Dieser Frage sind nun zwei Forscherinnen in einer großangelegten Studie nachgegangen. Die in der Fachzeitschrift Population and Environment veröffentlichten Ergebnisse sind eher ernüchternd: Insgesamt hat die Geburt eines Kindes nur geringe Auswirkungen auf die elterliche Einstellung zu Umwelt- und Klimafragen.
„Unsere Studie zeigt, dass sich die verbreitete Annahme, Menschen würden sich durch die Geburt eines Kindes verstärkt um Umwelt und Klima sorgen, so pauschal nicht bestätigen lässt“, sagt Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg. Gemeinsam mit Prof. Dr. Nicole Kapelle vom Trinity College Dublin analysierte Zoch Umfragedaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP).
Berücksichtigt wurden Antworten von über 12.000 Personen zu Umweltschutzthemen sowie über 7000 Personen zu klimabezogenen Sorgen. Dabei wurden Zeiträume von bis zu zwei Jahren vor der Geburt eines Kindes bis zu zehn Jahre danach betrachtet. Die Auswertung umfasste mehr als 100.000 Einzelinterviews, wodurch sich langfristige Trends bei elterlichen Einstellungen feststellen ließen.
Unterschied Männer und Frauen
Besonders aufschlussreich ist die Unterscheidung nach Geschlecht: Während bei Vätern rund um die Geburt eines Kindes die Sorgen um Umweltprobleme leicht sinken, nehmen bei Müttern diese Sorgen tendenziell etwas zu. Beim Thema Klimawandel zeigt sich jedoch ein umgekehrtes Bild: Hier äußern Väter nach der Geburt deutlich mehr Besorgnis, während die Sorgen der Mütter sogar abnehmen.
– Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg
Im Gegensatz dazu betreffen Umweltprobleme wie verschmutzte Gewässer oder Müllprobleme das direkte Lebensumfeld stärker. Für diese Sphäre seien nach wie vor überwiegend die Mütter verantwortlich, so Zoch. Der Alltag mit einem Neugeborenen könne außerdem dazu führen, dass abstraktere Zukunftssorgen wie etwa der Klimawandel in den Hintergrund treten.
Kaum Unterschiede beim Bildungsgrad
Beim Bildungsgrad der Befragten zeigten sich überraschenderweise nur geringe Unterschiede: Nach der Geburt eines Kindes unterschieden sich Menschen mit und ohne Hochschulabschluss kaum in ihrer grundsätzlichen Haltung zu Umwelt- und Klimafragen. Allerdings fällt auf, dass akademisch gebildete Eltern von Grundschulkindern nach einer Geburt mehr Sorgen um Umwelt und Klima äußern als vor der Geburt.

Zoch und Kapelle geben zu, dass ihre Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Zwar sei die sogenannte Legacy Hypothesis weit verbreitet – die Annahme, dass Eltern aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder ein stärkeres Umweltbewusstsein entwickeln. Doch die Studie zeige, dass diese Vorstellung nicht pauschal zutreffe.
Erst mit zunehmendem Alter des Kindes, insbesondere ab dem Schulalter, kehre das frühere Maß an Besorgnis teilweise zurück, so die Forscherinnen.
Gleichzeitig können verwendeten Daten keine abschließende Erklärung für die unterschiedlichen Entwicklungen bei Müttern und Vätern liefern.
– Prof. Dr. Gundula Zoch, Soziologin an der Universität Oldenburg
Die Studie liefert wichtigen Input für die sozialwissenschaftliche Klimaforschung – und sie zeigt, das elterliche Einstellungen differenzierter zu betrachten sind als bisher angenommen.
Quellenhinweis:
Kapelle, N. & Zoch, G. (2025): From parenthood to planet care? The evolution of environmental and climate concerns during family formation. Population and Environment, 47, 23.